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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: 16 WF 75/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256
ZPO § 766
ZPO § 793
Die Frage, ob ein Vollstreckungstitel vollstreckungsfähigen Inhalt hat, kann der Schuldner mit der negativen Feststellungsklage klären lassen; er kann nicht auf Rechtsbehelfe im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwiesen werden.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

16 WF 75/04

Karlsruhe, 23. August 2004

wegen Kindesunterhalts

hier: Prozesskostenhilfe

Die Sache wird dem Senat vorgelegt

Der Einzelrichter: Lauster

Beschluss

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 24.Mai 2004 - 7B F 182/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht mit am 22. Dezember 2003 beim Amtsgericht -Familiengericht - Mannheim eingegangener Klage Abänderung einer Urkunde des Jugendamtes A. vom 25. Mai 2000 gegen die Beklagte, seine 1999 geborene Tochter, geltend. Darin hat er sich verpflichtet, an diese ab Januar 2001 100 % des jeweiligen Regelbedarfs zu zahlen; der Zahlbetrag ist bis Juni 2001 beziffert; die Daten des Eintritts in die jeweilige höhere Altersstufe und das anzurechnende Kindergeld sind beziffert. Gleichzeitig beantragt er die Feststellung, dass ein Urteil des Amtsgerichts S. vom 24. Mai 2000, soweit es Kindesunterhalt tituliert, unwirksam ist. Dieses lautet:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Vater der Klägerin ... (Name, Geburtsdatum und Nummer des Geburtsregisters) ist

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab Geburt den Regelunterhalt entsprechend der Altersstufe, abzüglich des Kindergeldanteils, zu zahlen.

3. ...

Der Kläger hat vorgetragen, die Entscheidung des Amtsgerichts Staßfurt sei unwirksam, da nicht benannt sei, welcher Regelbetrag zu zahlen sei und wie hoch der Kindergeldanteil sei. Die Abänderung der Jugendamtsurkunde sei geboten, weil er nicht leistungsfähig sei. Sein bereinigtes Nettoeinkommen betrage 827 EUR. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen verblieben ihm 775 EUR. Ein Arbeitsverhältnis sei zum 31. Januar 2004 beendet worden. Er erhalte Arbeitslosengeld. Davon könne er auch keinen Unterhalt zahlen.

Der Kläger hat Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 24. Mai 2004 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Mannheim den Antrag zurückgewiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die beabsichtigte Klage des Klägers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 ZPO.

1.) Der Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Wie die Frage, ob überhaupt ein Vollstreckungstitel vorliegt, ist auch die, ob und welchen vollstreckungsfähigen Inhalt ein Titel hat, von den Vollstreckungsorganen durch Auslegung festzustellen. Einwendungen sind nach §§ 766, 793 ZPO zu verfolgen. Gegenüber diesen spezielleren Rechtsbehelfen kommt die Feststellungsklage aber bereits dann in Frage, wenn sie versagen, etwa weil die Auslegung des Vollstreckungstitels nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, der Titel also nicht auslegungsfähig ist. In diesem Fall hat zunächst der Gläubiger Anlass zu einer Feststellungsklage; denn wenn sich - spätestens - im Verfahren nach den §§ 766, 793 ZPO herausstellt, dass einem Titel ein vollstreckungsfähiger Inhalt auch durch Auslegung nicht entnommen werden kann, wird die angegriffene Maßnahme oder Entscheidung des Vollstreckungsorgans bereits in diesen Verfahren für unzulässig erklärt und durch das Vollstreckungsgericht oder auf dessen Weisung aufgehoben. Der Gläubiger kann dann im Klagewege die Feststellung des vollstreckungsfähigen Inhalts betreiben. Eine Entscheidung in den Verfahren nach §§ 766, 793 ZPO führt aber auch, wie sie denn begründet sein mag - Titel hat einen durch Auslegung zu ermittelnden bestimmten Inhalt oder hat ihn nicht - nicht zu einer endgültigen Klärung. Denn eine zwischen den Parteien auch für die Zukunft verbindliche Festlegung kann in diesen Verfahren nicht getroffen werden. Die Maßnahmen und Entscheidungen der Vollstreckungsorgane und die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts und des Beschwerdegerichts verhalten sich nur zu einer bestimmten einzelnen Maßnahme der Zwangsvollstreckung oder Entscheidung. Eine verbindliche Festlegung des Inhalts des Vollstreckungstitels oder dessen Fehlen steht diesen Stellen nicht zu (vgl. LG Bonn NJW 1963, 56). Zwar können die in den Verfahren nach §§ 766, 793 ZPO ergehenden Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 766 Rn 50 für die Erinnerung). Diese beschränkt sich aber auf den Ausspruch, dass eine bestimmte Maßnahme oder Entscheidung zulässig ist, weil der Titel in Übereinstimmung mit der Auffassung des Gläubigers einen durch Auslegung ermittelten bestimmten Inhalt hat oder in Übereinstimmung mit der Auffassung des Schuldners unzulässig ist (und diesem Ausspruch folgende Maßnahmen: Aufhebung einer Entscheidung; Anweisungen an ein Vollstreckungsorgan), weil er diesen Inhalt nicht hat oder jedenfalls einen anderen, als der Auffassung des Gläubigers entspricht. Nach allgemeinen Grundsätzen nimmt aber das Ergebnis der Auslegung nicht an der Rechtskraft teil, weil es nur ein Begründungselement ist (vgl. auch Münzberg a.a.O. Rn 41 N. 122: Anweisung an den Gerichtsvollzieher nur für das laufende Verfahren). Gläubiger und Schuldner könnten bei weiterer Zwangsvollstreckung aus demselben Titel, insbesondere durch andere Vollstreckungsorgane, ihre unterschiedlichen Auffassungen erneut geltend machen. Es bedarf also der verbindlichen Klärung zwischen Gläubiger und Schuldner, welche nur durch (negative) Feststellungsklage erreicht werden kann. So hat auch der Bundesgerichtshof ohne nähere Begründung dem Schuldner die negative Feststellungsklage eröffnet, der im Verfahren nach § 890 ZPO im Gegensatz zum Prozessgericht des ersten Rechtszuges als Vollstreckungsgericht die Auffassung vertreten wollte, eine bestimmte Handlung sei nicht als ein Verstoß gegen ein Verbotsurteil zu werten (BGH Beschluss vom 23. Februar 1973 - I ZR 117/71 - NJW 1973 803). Dass er die Vollstreckungsgegenklage für zulässig gehalten hat, wenn es darum geht, eine aus seinem Tenor nicht erkennbare Unbestimmtheit eines Urteils geltend zu machen (BGHZ 124, 164: es ist nicht erkennbar, über welchen Anspruch das Gericht bei mehreren Klagen auf Teilbeträge mehrerer Ansprüche entschieden hat) steht dem nicht entgegen; ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger kann nach allem mit der negativen Feststellungsklage geltend machen, das Urteil vom 24.05.2000 habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

Ein eindeutiger Inhalt liegt indessen auf der Hand. Das Geburtsdatum der Beklagten ist in Ziff. 1 des Urteilstenors genannt. Der Beginn der jeweiligen Altersstufe kann deshalb mittels des Gesetzes und des Geburtsdatums ermittelt werden. Mit "Kindergeldanteil" ist der in § 1612 b Abs. 1 , 4 und 5 BGB in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung beschriebene gemeint. Der Änderung des Abs. 5 zum 01. Januar 2001 haben die Parteien durch die Jugendamtsurkunde vom 05. Dezember 2000 Rechnung getragen.

2.) Für eine Abänderung der vor dem Jugendamt des Landkreises A.-S. errichteten Jugendamtsurkunden vom 05.12.2000 und 25.05.2000 ab November 2003 fehlt es ebenfalls an den Voraussetzungen. Der Kläger ist der Beklagten gegenüber zum Kindesunterhalt verpflichtet gemäß §§ 1602, 1603 BGB. Da die Beklagte minderjährig ist, trägt er gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine besondere Verantwortung für den Unterhalt der Beklagten. Deshalb sind erhöhte Anforderungen an seine Obliegenheit zu stellen, durch Erwerbstätigkeit Einkommen zu erzielen (BGH FamRZ 1998, 357). Solange das Existenzminimum der Beklagten nicht gesichert ist, ist vom Beklagten bei der Ausnutzung seiner Arbeitskraft mehr abzuverlangen als bei höheren Unterhaltsbeträgen (Johannsen/Graba, Eherecht, 4. Auflage, §1603 BGB, Rn. 8). Er muss im Rahmen des Zumutbaren den Ort oder Beruf wechseln, Überstunden machen, Nebenbeschäftigungen aufnehmen (BGH FamRZ 1982, 25; 1987, 270; 1994, 303). Zumutbar ist dabei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, was den Beklagten nicht unverhältnismäßig belastet (BVerfG FamRZ 2003, 661 f.). Das der Kläger unter Berücksichtigung dieser Vorgaben leistungsunfähig ist, hat er, obwohl darlegungs- und beweisbelastet, nicht dargetan. Die Abänderungsklage bietet deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Für die erfolglose Beschwerde wird von Amts wegen gemäß GKG-KV Nr. 1956 a.F. eine Gebühr von 25 EUR erhoben.

Ende der Entscheidung

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